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Gleichstellungsbeauftragte Professorin Barbara Streppel

Die Gleichstellungsbeauftragte der THU zum Weltfrauentag

Interview mit Professorin Barbara Streppel

Anlässlich des Weltfrauentags 2020 haben wir ein Interview mit der Gleichstellungsbeauftragten der THU, Professorin Barbara Streppel, über die Gleichstellung von Mann und Frau geführt.



Ist der Weltfrauentag aus Ihrer Sicht ein wichtiger Tag? Kann er in der Gesellschaft etwas bewirken?

Manche Themen sind ja leider sehr langwierig, schwierig und benötigen daher eine gewisse Penetranz. Gleichberechtigung und die Rolle der Frau sind leider solche Themen.



Wie steht es heute um die Gleichstellung der Geschlechter? Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?

 

Es gibt Stimmen, die sagen seit den 69ern hat sich eigentlich nichts mehr bewegt, was die Gleichstellung und die Rolle der Frau angeht. Ganz so weit würde ich nicht gehen, aber ich finde es doch sehr erstaunlich, wie wenig sich bewegt hat. Von einer Kultur der Gleichstellung sind wir in Gesellschaft und Unternehmen noch weit entfernt. Die Wege für Frauen sind zwar (zumindest theoretisch) alle offen, aber da sich die Geschlechterrollen nicht bewegen, können Frauen diese Wege nicht in gleichem Maße begehen wie Männer. Wenn eine Frau nur auf Grund ihres Geschlechts für Familienmanagement, Haushalt, kochen, Baby- und Kleinkindbetreuung und Pflege von Angehörigen zuständig ist, kann sie sich nicht in gleichem Maße ihrer Karriere widmen wie Männer. Und da liegt meines Erachtens der Hund begraben. Wir dürfen nicht nur darauf zuarbeiten, möglichst viele „Superwomen" in unserer Gesellschaft zu haben, die all diese Aufgaben unter einen Hut bekommen und so einer fast übermenschlichen Belastung ausgesetzt sind. Wir sollten anfangen zu verstehen, dass die klassischen Rollenbilder überholt sind. Männer können sich um all diese familiären Pflichten genauso gut kümmern wie Frauen. Ich finde jedes Paar sollte für sich den richtigen Weg und die richtige Aufgabenverteilung offen diskutieren und bewusst entscheiden. Das würde wahrscheinlich auch viele Menschen glücklicher machen, die sich verzweifelt versuchen, in das jeweilige Rollenbild zu zwängen und in Wahrheit gerne mehr Zeit für die Kinder hätten oder sich engagierter in ihrem Beruf verwirklichen möchten. Sheryl Sandberg hat mal gesagt: „Die wichtigste Karriereentscheidung für Frauen ist die Wahl des Partners. " Das würde ich sofort unterschreiben.

Was ich besonders schlimm finde: Es gibt heute sogar Bereiche, die mehr denn je auf die klassischen Rollenbilder hinarbeiten. Gehen Sie mal in ein Spielwarengeschäft oder schauen Sie sich bei Kinderkleidern oder anderen kommerziellen Angeboten für Kinder um: Es gibt alles in rosa und hellblau. Strikt getrennt mit fast unüberwindbarer Grenze zwischen den Geschlechtern. Ich erlebe es bei meiner eigenen Tochter, wie Vierjährige schon ganz fest in diesen Rollen denken und sich ausgegrenzt oder abnormal fühlen, wenn die entsprechende farbbezogene Themenwahl nicht zu ihren Interessen passt. Das ist ein Trend in die absolut falsche Richtung.  Bei so einer frühen Prägung wird es noch lange dauern bis wir, als Gesellschaft, die alten Rollenmodelle wirklich in Frage stellen und über Bord werfen können.

 

Was möchten Sie als Gleichstellungsbeauftragte der Technischen Hochschule Ulm tun, um den Zielen der Gleichstellung näher zu kommen?

 

Ich sehe meine Aufgabe darin, an diesen Rollenbildern ordentlich zu rütteln. Grade bei Studierenden oder sogar noch Schülern ist ja noch vieles offen und vielleicht überdenken Einige mal ihre Lebensvorstellung und überprüfen sie auf das, was Sie wirklich möchten und was Ihnen nur durch ihr Geschlecht zugeschrieben wird. Und auch den Kollegen tut es bestimmt mal gut zu sehen, dass es auch anders geht.

Außerdem möchte ich mehr junge Frauen dazu bekommen, über den Karriereweg an einer HAW nachzudenken und eventuell Kolleginnen zu werden. Das ist ein wunderbarer Beruf!

 

Gibt es aus Ihrer Sicht in der gesellschaftlichen Diskussion und der Durchsetzung von Gleichstellung auch Fehlentwicklungen, die nicht zielführend sind?

 

Ich finde es wirklich fatal, dass so wenig über die Männer und über Rollenbilder gesprochen wird. „Die zwei Vätermonate" bei der Elternzeit sind da für mich echt ein Sinnbild. Mütter bekommen diese Monate übrigens nicht – da werden sie mit dem Mutterschutz verrechnet… Wenn man sich mal umhört, werden diese Monate in den allermeisten Fällen nur als verlängerter Urlaub im Sommer genutzt. „Mal so richtig ausspannen und ein bisschen Zeit mit der Familie verbringen". Das ist bestimmt besser als nichts, aber ich sehe keinen großen Zusammenhang mit Gleichberechtigung also Übernahme von Verantwortung und Aufgaben rund um Kinder und Haushalt. Meinem Mann wurde damals bei seinem Antrag auf 24 Monate Elternzeit für unseren Sohn allen Ernstes von der Personalabteilung gesagt er habe „den Antrag für Frauen" erwischt. Der für Väter sei nur für 2 Monate.

Und ich denke wir sollten vorsichtig sein, dass Frauen in Führungspositionen nicht per se das „Quotenfrauen" -Siegel bekommen: Die kann nichts – aber sie ist halt eine Frau. Das ist ein wirklich schwieriger Balanceakt den Frauenanteil per Quote zu erhöhen und gleichzeitig die Gleichwertigkeit der Karrieren zu sichern.   

 

Welchen Tipp würden Sie jungen Frauen geben?

 

Ich versuche immer Menschen dazu zu bringen, möglichst offen über ihre Zukunft nachzudenken. junge Frauen sind in meinen Augen besonders gefährdet zu tun „was eben zu Frauen passt" und „was alle Freundinnen auch machen". Da gehört ordentlich Mut dazu, einen anderen Weg zu gehen. Diesen Mut möchte ich allen wünschen - nicht nur jungen Frauen, auch Männern! Stellen Sie sich in Ihrem gesellschaftlich aufgedrückten Rollenbild doch mal in Frage und entwickeln Sie (mit oder ohne PartnerIn) Ihre eigene Wunschrolle!

Und noch eine kleine Ermutigung: als Frau in einer Männerdomäne ist man zwar in der Minderheit, aber das kann auch positiv sein: wer anders ist fällt auf!

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